- Freitag, 08. August bis Donnerstag, 2. Oktober 2025
Ursprünglich hatte ich diese Serie als wöchentliches Update geplant. Ich musste jedoch feststellen, dass das sowohl eine zeitliche Herausforderung war, die ich aktuell nicht bewältigen kann, als auch eine inhaltliche. In Wiederholung schreiben zu müssen, dass ich es nicht auf die Reihe bekomme ein Bewegungsprogramm zu etablieren oder dass die Nebenwirkung Reflux nervt, ist einfach langweilig. So werde ich, wie ich es auch mit meinen "Status quo"-Updates in Sachen Adipositas-OP halte, zum Thema "Spritze" einen beliebigen und spontanen Rhythmus einhalten.
Bei meiner letzten medizinischen Kontrolle, war meine Ärztin entsetzt! Was, keine Körperwaage im Haus? Dies sei aber ein essenzielles Werkzeug, um den Überblick über die Krankheit Adipositas zu behalten.
Die Waage und ich haben ein kompliziertes Verhältnis. Aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass ich die Waage zu lange dazu genutzt habe, mich niedermachen zu können und mir vorzuführen, was für ein Verlierer ich bin, wenn ich nicht mal sie unter Kontrolle bekomme. Im Grunde war das eine Erweiterung des „selber schuld, friss halt weniger und bewege dich mehr“-Themas, mit dem Adipositas-Patienten schon viel zu lange stigmatisiert werden.
Es mag nicht immer so ganz einfach sein, Zunahmen oder Abnahme an der eigenen Bekleidung abzuschätzen. Doch ich möchte behaupten, dass ich in den letzten Jahren ein recht gutes Gespür dafür entwickelt habe. So war mir auch ohne eine Zahl auf der Waage bewusst, dass ich zugenommen hatte. Gelegentliches Wiegen in Arztpraxen hat meine Vermutung auch stets bestätigen können. Ich hätte also meinen Schwur, nie wieder eine Waage ins Haus zu holen, nicht brechen brauchen.
Doch ein perverser Teil von mir, der, der es so sehr liebt mich runterzumachen, hat wohl entschieden, dass es von Interesse sei, während der Behandlung mit Wegovy das Gewicht in Zahlen zu tracken. Und da das Teil damit nun mal wieder bei mir eingezogen war, habe ich mich gefragt, ob es nicht vielleicht doch möglich ist, eine Waage analytisch zu nutzen und das Emotionale rauszulassen?
Was sich in den nächsten Wochen zeigen sollte, war:
1. die Ruhe im Kopf, die mir Wegovy verleiht (bereits unter der 0,25 mg Dosierung), nimmt auch der Zahl auf der Waage die Emotion; zumindest so weit, dass ich damit an den meisten Tagen gut umgehen kann
2. die Schwankungen - Stichwort Wasserhaushalt - sind unter Wegovy bei mir enorm und können bis zu 5 kg variieren
3. auch wenn es auf den ersten Blick so ausschauen mag, unter 0,25 mg nehme ich nicht ab; gleichzeitig ist jedoch der Aufwärtstrend gestoppt.
Aus Kosten- und Experimentiergründen hatte ich mir vorgenommen, so lange wie möglich auf einer Dosierung zu bleiben. Unter der 0,25 mg-Dosierung konnte ich von der ersten Woche an feststellen, dass es zum Mittwoch hin mehr Nebenwirkungen und weniger Wirkung gab. Und so war ich stets erleichtert, wenn die Woche um war.
Zuvor hatte ich mich nach reichlicher Überlegung dazu entschlossen, die Spritze Freitagsabends zu nutzen. So würde ich nicht nur mögliche erste Nebenwirkungen verschlafen können, sondern die Wirkung wäre auch über das Wochenende garantiert; dann wenn ich mich in der Nähe meiner Küche befände. Schnell wurde klar, dass das eine gute Wahl war.
Die Kosten erst einmal außen vorlassend, habe ich, entsprechend der Empfehlungen, mit einem 0,25 mg-Pen angefangen und dann einen 0,50 mg-Pen genutzt. Um die niedrigere Dosierung beibehalten zu können, habe ich dann Klicks gezählt.
Mit der Spritzstelle habe ich von Anfang an um den Bauchnabel herum rotiert. Dabei habe ich schnell gemerkt, dass es für mich notwendig ist, den Rhythmus im Kalender festzuhalten. Den Ausflug zum seitlichen Oberschenkel fand ich eher unangenehm und habe ihn nicht wiederholt.
Einmal hatte ich die Spritze freitagabends vergessen und sie dann samstags nachgeholt. Ein weiteres Mal habe ich meinen Spritzen-Tag bewusst um einen Tag verschoben, wegen eines Urlaubs. In der darauffolgenden Woche bin ich jedoch immer wieder zu Freitagsabends zurückgekehrt.
Am Ende der 7. Woche ist auf die 0,25 mg die Unruhe in meinem Kopf zurückkehrt und ich wieder deutlich anfing zu grasen. Für mich war das der Hinweis darauf, dass es Zeit ist, mit der Dosis raufzugehen. Damit die Dosierung der Spritze am Ende auch aufgeht, habe ich noch eine weitere Woche die 0,25 mg Dosierung genutzt. Insgesamt bin ich also 8 Wochen auf der 0,25mg-Dosierung verblieben.
Auch ich war eine derer, die sich über den verbleibenden kleinen Rest in der Spritze gewundert haben.
Übelkeit (erträglich bis unangenehm)
Zunächst hatte ich mit einer leichten Übelkeit zu kämpfen. Diese kam und ging meist ohne nachvollziehbaren Grund und verlor sich über die 8 Wochen mit der 0,25 mg-Dosierung. Nur der Bissen zu viel und Mahlzeiten, die zu dicht aufeinander folgten, wurden (und werden) weiterhin mit Übelkeit betraft.
Reflux (schlimm)
Beim Reflux war es umgekehrt. Je länger ich auf der 0,25 mg Dosierung war, umso problematischer und häufiger wurde er. Am Ende der 8. Wochen gab es für mich praktisch keine Nacht mehr ohne Refluxprobleme.
Harndrang (enorm und vor allem nachts nervig)
Das Ausmaß meines Harndrangs war, und ist immer noch, erstaunlich. Aber auch sehr unstetig, wie die Waage mit ihrem hoch und runter mir immer wieder zeigt. Nervig ist, dass ich deswegen nachts regelmäßig raus muss. Besonders anstrengend, wenn man es gewohnt war durchschlafen zu können. Auch tagsüber bin ich häufig Gast im Bad.
Verstopfung (zuerst ja, dann nicht mehr)
Eines der Gründe es mit Wegovy zu versuchen, war das Versprechen von dessen Nebenwirkung: Verstopfung. Und tatsächlich haben sich die ersten zwei Wochen unter Wegovy gerade zu magisch auf meinen chronischen Durchfall ausgewirkt. Was die allermeisten Patienten als Problem bezeichnen würden, wenn sie davon betroffen sind, war für mich ein Segen. Von Sonntag bis Mittwoch war der Durchfall weg und ich konnte mich meiner normalen Darmtätigkeit erfreuen. Es ist nur schwer in Worte zu fassen, wie dankbar ich dafür war. Leider hielt diese, für mich positive Nebenwirkung, nicht an. Zwar konnte ich auch im weiteren Verlauf eine gewisse regulatorische Wirkung feststellen, diese war jedoch nie wieder so prägnant, wie in den ersten 14 Tagen.
Kopfschmerzen (sehr unangenehm, Freitagsnacht bis ca. Sonntagsmittag)
Irgendwann um die 4. Woche herum haben sich Freitagsnachts Kopfschmerzen eingestellt, die erst am Sonntag im Laufe des Tages wieder verschwunden sind. Zunächst bin ich davon ausgegangen, dass es schlicht und einfach am wechselhaften Wetter liegen könnte. Doch die anhaltende Wiederholung hat mich die Sache auf das Wegovy schieben lassen.
Dumpings (weniger oft, aber nicht weg)
Auch die Dumpings, mit denen ich vermehrt zu kämpfen hatte, waren ein Grund dafür Wegovy auszuprobieren. Dabei hat die 0,25 mg-Dosierung durchaus ihren Teil getan. Doch erst als ich angefangen habe, mich darum zu bemühen, die Empfehlungen meiner Ernährungsberaterin umzusetzen, war eine echte Verbesserung zu bemerken.
Foodnoise, Anspannung und Stresslevel (wunderbare Ruhe im Kopf und weniger gestresst)
In den ersten 4 Woche unter der Spritze konnte ich beobachten, dass ich mich immer seltener in der Küche "wiedergefunden" habe. Und wenn ich dann doch mal den Kopf suchend in einen Schrank gesteckt hatte, dann war das Angebot weniger verlocken. Selbes galt auch für die Auswahl meiner Mahlzeiten. Nicht genau zu wissen, was ich essen will, war eine ganz neue Erfahrung für mich.
Hunger zu haben, ob nun emotional oder körperlich, ist aushaltbarer geworden. Und damit, mit "DIESEM" Hunger, der stets "SOFORT" schreit und auf der Stelle befriedigt werden "MUSS", besser umgehen zu können, ist eine große Erleichterung. Damit ist die Aufgabe, meine Mahlzeiten besser zu planen und regelmäßig einzunehmen, deutlich einfacher geworden. Auch beim Vor- und Zubereiten der Mahlzeiten stecke ich deutlich weniger nebenbei in den Mund, was sich ebenfalls positiv auf meine Mahlzeiten auswirkt.
Und nein, das läuft nicht an allen Tagen glatt. Mir erscheint die Wirkung des Medikaments etwas unstet und sie kann, zumindest in dieser Dosierung, stärkerem emotionalen Stress, schlechten Schlaf oder falschen Essensentscheidungen nicht immer standhalten. So gerne ich das auch hätte, ich habe schnell gelernt, dass ich nicht alles auf das Medikament auslagern kann.
Ab der 5. Woche unter 0,25 mg wurde der Eindruck, dass das Medikament verhaltener wirkt und deutlich mehr Eigeninitiative verlangt stärker. Es gab mehr Momente, in denen ich mich vor dem Kühlschrank vorgefunden habe und unkluge Esswünsche ließen sich deutlich schwieriger unterdrücken.
Obwohl auch in der 8. Woche unter 0,25 mg grundsätzlich immer noch alles abgedämpft war, so war diese Dämmung jedoch dünner geworden und es wurde Zusehens schwieriger, mit der Vernunft dagegen anzugehen.
Ich habe keine Mengen, Kalorien oder Makronährstoffe getrackt. Ja, ich habe noch nicht einmal darauf geachtet mich „gut“ zu ernähren. Ich habe in den ersten Wochen einfach gegessen, was mein arbeitsreicher Alltag und das sommerliche Wetter hergaben. Erst für einen Termin im September bei der Ernährungsberatung habe ich für 14 Tage notiert, was ich wann gegessen habe.
Mit der Ernährungsberaterin zusammen habe ich dann einen definierten Essensplan ausgearbeitet. Dieser fokussierte sich auf drei Bereiche: die Dumpings in den Griff zu bekommen, regelmäßige Mahlzeiten einzunehmen und diese um eine Proteinquelle herum zu planen.
Auf dem Papier sieht das so simple aus und doch ist es so schwer umzusetzen. So kämpfe ich jeden Tag gegen alte Glaubenssätzen an, die mir erklären wollen, dass es mir nicht zusteht, schon wieder etwas essen zu wollen, der mich zu Snacks verlockt, mir aber Mahlzeiten verbietet oder dass heimlich essen nicht zählt. Zwar hilft auch hier das Medikament, die Lautstärke meines Reptilliengehirn herunterzuregeln und meinem Verstand mehr Stimme zu verleihen, anstrengend ist es dennoch.
Zurzeit esse ich das, was ich als "normal" carb bezeichne. So gibt es Brot, Nudeln, Kartoffel und Kuchen. Und auch wenn es für den Moment immer wieder herrlich ist, Schokolade, Spaghetti oder Bratkartoffeln essen zu können, so fühle ich mich damit dennoch nicht so gut, wie ich das von low carb Zeiten in Erinnerung habe.
Zudem ist es dabei extrem schwer Protein den Vorzug zu geben, wenn die Kartoffel, Nudel oder Reis lockt. Wie ich aktuell mein Protein hoch und meine Carbs runterschrauben soll, ist mir ein Rätsel. Zumal es mir zurzeit unglaublich schwerfällt tierisches Protein zu essen, dabei ist es egal, ob es Quark, fettes Schwein oder magere Pute ist. Ich bin sofort „voll“, aka ein paar Bissen und mir wird schlecht. Währenddessen finden Carbs, ob mit Stärke oder Zucker, auch in der kleinsten Lücke im Magen einen Platz.
Meine Trinkmenge konnte ich bisher konstant halten. Sie liegt jedoch unter den Empfehlungen von 2 bis 2,5 l, die ich für mich gelesen habe. Dabei zähle ich Wasser als Ganzes, Kaffee oder Tee zur Hälfte und mögliche Flüssigkeiten in Mahlzeiten, wie in Suppen, überhaupt nicht. Ich arbeite gerade daran, morgens als Erstes ein großes Glas Wasser zusätzlich zu mir zunehmen.
Ich fahre mit dem Rad zur Arbeit, erledige meine Wocheneinkäufe wann immer möglich zu Fuß und gehen zum Linedance; wobei ich, bedingt durch die Venen-OP und der Operationsstelle über dem Knie, für 3 Wochen beim Linedance ausgefallen war.
Ich bin also nicht komplett bewegungslos, aber im Verhältnis sitze ich dann doch viel. Es wäre mehr als angebracht wieder Hanteln zu schwingen, regelmäßig Schwimmen zu gehen oder endlich wieder damit anzufangen ein tägliches Schritte-Ziel zu erfüllen. Wie beim Umsetzen einer "besseren" Ernährung fühle ich mich auch in diesem Punkt zu paralysiert, um in Aktion zu kommen.
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